Header image  
   kleine Fluchten
 
 
    HOME
 
Hephaistos - Textsplitter 03-A


Hephaistos kommt aus der Dusche. Über seine Schultern hat er ein großes weißes Frottee-Badetuch gehängt. Müde schlurft er über die dunkelroten Fliesen des Terrakottabodens. Er steuert auf die Ecke seines überschaubaren Zimmers zu, in der ein überdimensionierter Kühlschrank steht. Er öffnet ihn, holt sich eine Bierflasche heraus und nimmt auf einer Holzbank hinter einem großen Esstisch Platz. Er nimmt die Fernbedienung vom Tisch, die zwischen mehreren darauf wahllos verteilten Magazinen liegt, deren Titelseiten auf ein Vorliebe für hoch motorisierte Wagen hinweisen.
Mit dem Flaschenöffner, den er unter einem der Magazine hervorkramt, öffnet er seine Bierflasche, setzt diese an den Mund und trinkt in großen Schlucken daraus. Ein einem olympischen Gott nicht zu Ehren gereichendes Rülpsen beendet den Trinkvorgang.
Hephaistos drückt auf die goldene Taste auf der Fernbedienung. Auf einem etwas altmodischen Fernseherröhrengerät erscheint die Kanalanzeige: „Götterkanal“. Auf dem unmittelbar folgenden Auswahlmenü entscheidet sich Hephaistos zielstrebig für das Angebot 'Olympic-Lounge'. Mit Hilfe des Joysticks sucht er mit den verschiedenen dort installierten Kameras die einzelnen Bereiche der Lounge ab. Nach kurzer Zeit entdeckt er, wonach er sucht: seine Gattin, Aphrodite.
Missbilligend betrachtet er ihren gewollt nachlässigen Aufzug, bei dem auch ein sparsamer Schwabe sicher noch bereit gewesen wäre, um der landestypischen Moral willen wenigstens noch ein Kleidungsstück dazu zu legen. Hephaistos greift sich eine andere halb leere Flasche mit einem sündhaft teuren Mirabellengeist aus einer Schwarzwälder Schnapsbrennerei und setzt seine Bemühungen fort, dem liquiden Geist aus Flasche zu helfen.
Jetzt kommt sein besonderer Freund Ares ins Bild. Der Blick von Hephaistos wird dunkel und trübe, aber er kann ihn von der Szenerie nicht abwenden. Melancholisch schaut er zu, wie Ares betont zuvorkommend Aphrodite aus dem Clubsessel hilft und mit ihr zwischen den Palmen durch die Lounge schreitet. Dabei legt er seine Hand auf ihre Schulter, die beim Weitergehen auf die Hüfte hinab gleitet, wo sie genüsslich verbleibt. Die beiden verschwinden hinter einer Tür, über der pinkfarbene Neonlettern auf den Loungebereich 'Private Pleasures' verweisen.
Ein weiterer kräftiger Schluck aus der Flasche mit dem Mirabellengeist kommentiert eindrücklich den Seelenzustand von Hephaistos. Er hat genug gesehen und schaltet den Götterkanal ab. Er sinniert noch eine Weile vor sich hin, dann erhebt er sich müde und geht zu einem Stuhl, auf dem ein unüberschaubares Chaos von verschiedenen Kleidungsstücken herrscht. Ohne besonders wählerisch zu sein, nimmt er ein paar Stücke von dem Stapel und verschwindet in seinem Schlafgemach.
Nach kurzer Zeit erscheint er wieder und verlässt das Haus. Drei Straßen weiter betritt er eine Taverne, in der er als Stammgast zuhause ist. Er nimmt in einer Ecke an 'seinem' Tisch Platz, wo ihm, ohne dass er etwas hätte bestellen müssen, ein großer Krug mit kühlem Getränk serviert wird. Die hübsche schwarze Sklavin, die ihn bedient hat, nimmt auf der Bank neben ihm Platz.
Der Wirt, der Hephaistos als einen großzügigen Gast sehr schätzt, hat kein Problem damit, dass Batuuli, so der Name der schwarzen Sklavin, sich zu Hephaistos setzt. Dieser pflegt die Gesellschaft Batuulis mit einem über die Maßen großzügigen Trinkgeld zu honorieren, welches vollständig bei dem Wirt landet. Batuuli selbst hat Vertrauen zu dem zuweilen unbeholfenen Gott der Schmiedekunst entwickelt, vor allem seit er ihr zu Hilfe kam, als sie von mehreren betrunkenen Soldaten massiv bedrängt wurde. Hephaistos selbst liebt das hübsche schwarze Mädchen, das noch keine 20 Jahre alt ist, auf seine besondere Weise. Dazu kommt, dass Batuuli, die die Landessprache nicht beherrscht, immer schweigsam neben ihm sitzt. Erst vor kurzem hat Hephaistos ein kostbares Silberamulett geschmiedet und ihr geschenkt, das sie seit dieser Zeit gut versteckt unter ihrer Tunika trägt. Der Wirt, der um den Wert des Silberamuletts weiß, wagt es nicht, Batuuli dieses wegzunehmen, um seinen treuen Gast nicht zu verärgern.

Die Zeit ist vorangeschritten und Hephaistos hat in seiner Melancholie mehrere Gläser getrunken, was seine schwermütige Stimmung in keiner Weise vermindert. Schon seit geraumer Zeit liegt seine Hand auf Batuulis warmem Oberschenkel, was diese ohne Widerspruch gewähren lässt. Sie weiß aus Erfahrung, dass es dabei bleibt und dass Hephaistos keine weiteren Anstrengungen unternehmen wird, sie in irgend einer Weise zu bedrängen. Hephaistos selbst spürt die Wärme, die von dem Mädchen durch seine Hand in seinen Körper fließt, spürt die Nähe des Mädchens und nach und nach kehrt so etwas wie Ruhe in ihn ein.
… es ist spät geworden, Hephaistos bricht auf. Batuuli geleitet ihn zur Türe der Taverne und sieht ihm mitfühlend hinterher, wie er sich müde auf seinen Nachhauseweg macht.


Pfeil rechts